Stille Geburt - In Schmerz und Trauer, dennoch voller Liebe und Geborgenheit.


09.06.18


Ihr lieben Seelen, in den letzten Tagen war es sehr ruhig hier und das wird es die nächste Zeit vermutlich auch bleiben. Warum, möchte ich euch jetzt gerne erzählen.
Sicher haben die Meisten von euch mitbekommen, dass ich schwanger gewesen bin, jedoch immer mal wieder - vermutlich auch des ganzen Stresses und der Sorgen wegen - gesundheitliche Probleme hatte. Bauchzwerg ging es jedoch bis zur 15. Schwangerschaftswoche immer sehr gut. Mein Bluthochdruck wurde in der Klinik gut eingestellt und die Migräne ein ganz klein wenig besser. Leider hielt diese Verbesserung nur wenige Tage. Von einem auf den anderen Tag, holte mich die Migräne so heftig wie selten ein und quälte mich drei Tage lang. Ein Ende war nicht in Sicht. Klar, dass sich Bauchzwerg, wenn es der Mama nicht gut geht, auch zurück hält. Bewegungen habe ich immer seltener gespürt und mir auch Sorgen gemacht. Aber im Krankenhaus vor ein paar Tagen, war ja alles super. Mit dem Angelsound, das ist ein kleiner Fetal Doppler, mit dem man die Herztöne, den Herzschlag und die Bewegungen seines Babys im Bauch auch zu Hause kontrollieren kann, haben wir uns Abends immer vergewissert, dass es unserm Schatz gut geht. Und tatsächlich, haben wir seinen Herzschlag am Abend des 05.06.18 noch auf dem Display gesehen und sogar leichte Bewegungen gespürt. Am nächsten Morgen war mein nächster Vorsorge Termin bei der Frauenärztin und wir freuten uns unglaublich darauf, unseren kleinen Bauchzwerg im Ultraschall zu sehen. Instinktiv lag meine Hand die ganze Nacht auf meinem Bauch. Am nächsten Morgen ging es dann zum Frauenarzt. Ich lachte noch mit der Arzthelferin und wir scherzten im Labor beim Blutdruckmessen ein wenig. Danach ging es direkt zur Ärztin rein. Wir begrüßten uns, erzählten von meinem Krankenhausaufenthalt, von Jeremy, der Reha und von meinen Sorgen, dass ich mein Baby zu selten spüre, gestern Abend aber ganz sicher sein Bewegungen wahrnehmen konnten. Ich wurde kurz untersucht, dann wollte sie einen Ultraschall machen. Sie drückte den Schallkopf auf meinen Bauch, und sofort sahen wir unseren kleinen Schatz.
Warum bewegt er sich nicht und, warum blinkt sein Herzchen nicht mehr auf dem Monitor? Die Ärztin guckte sehr gründlich, sagte aber zuerst nichts. Ich hielt das warten nicht aus und fragte, wie geht es dem Herzchen? Sie seufzte und schaute noch konzentrierter nach. Schließlich sah sie mich mitfühlend an und sagte, "Es tut mir unendlich leid. Aber, ich fürchte, das kleine Herzchen hat aufgehört zu schlagen." Ich habe den Kopf geschüttelt und gesagt, "Das kann nicht sein! Wir haben ihn gestern Abend noch gespürt und das Herz schlagen gesehen." Sie guckte noch mal und noch mal. Aber egal wie sehr sie suchte und guckte, das Herzchen blieb still.
Mir liefen die ersten Tränen, ich konnte das einfach nicht begreifen. Ich wollte es nicht zulassen. Den Gedanken, dass sie recht haben könnte. Sie erklärte uns auch, dass sie ein paar Veränderungen an unserem Schatz erkennen konnte, die dafür verantwortlich sein dürften, dass unser Schatz sich verabschiedet hat. Sie möchte mich sofort in den Marienhof weiter schicken, denn wenn sich die Diagnose bestätigt, müsste ich mein kleines Baby dort still zur Welt bringen.
Sie ließ uns einen Moment alleine und kümmerte sich um alles.
Auf dem Weg ins Krankenhaus rief ich meine Freundin an, meine Tante und meine Mutter. Sofort baute sich um uns ein Kreis aus Helfern auf, der uns bis Heute begleitet. Dafür sind wir euch unendlich verbunden und dankbar.
Natürlich bestätigte sich die Diagnose im Krankenhaus. Unser Baby war in den letzten 2 Wochen nicht mehr richtig gewachsen, sein kleiner Körper voller Ödeme. Auch die Nackenfaltentransparenz erschien sehr hoch. Zwei Ödeme waren vorne und hinten im Kopf und bereits zystisches Gewebe vorhanden. So sehr dieser Moment auch schmerzte, war ich der Natur dankbar dafür, dass sie unseren Schatz von weiterem Leid erlöste. Er musste nicht leiden, keine Schmerzen, kein Hunger, nichts. Er ist friedlich in Mamas Bauch, geborgen und warm, eingeschlafen. Das Letzte was er dabei wohl hörte, war mein beruhigender Herzschlag. Ich weiß nicht, wie ich es hätte ertragen sollen, wenn ich die Entscheidung, die Schwangerschaft auf Grund dieser Diagnose zu beenden, hätte treffen müssen.
Ich bat darum, noch einmal eine Nacht mit meinem Baby im Bauch nach Hause fahren zu dürfen. Zum Verabschieden und Loslassen. Meine anderen Kinder wollten sicher auch Abschied von ihrem Geschwisterchen nehmen.

 

Gemeinsam nahmen wir diese Zeit noch einmal bewusst und intensiv war, bevor wir am nächsten Morgen die Kinder zur Oma brachten und selber weiter ins KH fuhren.

 

In der Nacht zum 06.06.18, hörte das Herzchen auf zu schlagen.

 

Am 07.06.18 um 11 Uhr wurde die Geburt eingeleitet. Es ging auch gleich mit ersten leichten Krämpfen los, die sich aber stetig weiter aufbauten und schon nach ca. 5 Stunden in erste Wehen über gingen.

 

Um 17:30 Uhr bekam ich die nächsten zwei Tabletten Cytotec zur Einleitung. Die Wehen wurden stärker und es zeichnete deutlich. Der Muttermund begann sich zu öffnen.

 

Um 23:30 Uhr erhielt ich noch mal zwei Tabletten. Die Schmerzen wurden zu einem langanhaltenden Krampf, den ich nicht mehr einfach liegend ertragen konnte. Dennoch schaffte ich es, mich für eine halbe Stunde hinzulegen und zu schlafen.
Die Wehe wurden weniger. Ich krabbelte aus dem Bett und ging zur Toilette. Auf dem Weg dahin sagte ich noch, dass ich glaube, unser Baby wird doch nicht mehr in dieser Nacht geboren. Kaum 5 Minuten später kamen die Wehen wieder. Stärker als zuvor. Eigentlich wollte ich den Schmerz spüren, bewusst durchleben um die Geburt und den Abschied so intensiv wie möglich zu durchleben. Ich wollte unbedingt im Kreissaal entbinden. Mir war es wichtig, den Kreis zu schließen. Doch hatte ich Angst, dass sich der Muttermund nach der letzten Untersuchung nicht sonderlich viel weiter öffnen konnte, da die Wehen eine Zeit lang eher wie Krämpfe waren und eine Pause eingelegt hatten. Aber unnötig quälen und verkrampfen wollte ich auch nicht. Also entschied ich mich, nach der nächsten Wehe doch in den Kreissaal runter zu gehen, mir eine PDA geben zu lassen und dann auch dort zu bleiben. Auf dem Weg in den Kreissaal musste ich drei mal stehen bleiben um eine Wehe zuveratmen.
Ich stellte mich auf eine noch viel längere Nacht, mit schmerzhafteren Wehen und langem Warten auf unser Baby ein. Wir klingelten vor dem Kreissaal. Die Tür wurde geöffnet, wir gingen zum Empfang und ich erklärte der Hebamme dort, dass die Wehen so langsam doch viel schmerzhafter sind und ich noch mal nach dem Muttermund gucken lassen möchte. Ich glaube zwar nicht, dass sich seit der letzten Untersuchung am Muttermund etwas getan hat, aber ich möchte gerne im Kreissaal bleiben, auf Nummer sicher gehen und eine PDA haben.
Ich hatte den letzten Satz noch nicht beendet, als in meinem Bauch plötzlich ein dumpfer Druck nach unten und ein Blop zu spüren war. Die Fruchtblase!

 

Die Hebamme führte uns sofort in den ersten Kreissaal, half uns mich auszuziehen und auf das Kreissbett. Auf den wenigen Metern dahin, nahmen die Wehenschmerzen sehr an Intensität zu. Ich bekam Panik. Wollte unbedingt die PDA, schnell! Die Hebamme blieb ganz ruhig und untersuchte mich. Sie schaute mich an und sagte, dass es vielleicht schon zu spät für die PDA sei. Der Muttermund wäre bereits auf 5 cm geöffnet. Ich bat sie dennoch um eine PDA. Sie lächelte mich mitfühlend an und meinte, dass sie rasch ihre Kollegin fragen würde, ob man noch eine PDA machen könnte. Kaum war sie aus dem Zimmer, kam die erste Presswehe. Ich war so erschrocken. Zeitgleich begriff ich, was da gerade passierte ... die Geburt ... Kaum war die Wehe vorbei, ich spürte schon das etwa aus mir heraus gelaufen war, kam die nächste Presswehe und das Gefühl, dass mich etwas Großes verlassen hatte. Ich schrie auf! Nicht vor Schmerz, sondern vor Angst. Es war zu schnell ... das ging einfach zu schnell! So rasch mein Baby herzugeben, dazu war ich nicht bereit!

 

Mein Mann rannte aus dem Kreissaal und rief nach der Hebamme. Sie kam sofort zurück, zog sich die Handschuhe über und schaute nach. Sie setzte sich zu mir an Bett und untersuchte konzentriert, was auch immer da zwischen meinen Beinen hervorgekommen war. Presswehen, hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine mehr. Sie sah mich an und sagte ganz leise. „Das war es schon. Ihr Baby ist da.“ Ob ich mein Kind haben möchte. Natürlich!! ich möchte es ansehen, es halten, es willkommen heißen und verabschieden. Sie nabelte es ab, holte ein kleines Tuch und hob unseren Schatz ganz behutsam darauf, bevor sie ihn mir auf die Brust legte. Er, unser kleiner Sohn, war ganz warm und sah uns aus offenen Augen an. Offen, aber leer, denn seine Seele hatte sich ja schon vor 2 Tagen von seinem Körper verabschiedet. Dennoch war sofort eine Bindung da. Das süßeste Baby, mein Sohn. Er war so perfekt. Alles war dran, Zehen, Finger ... alles, sogar der kleine Schnipel, der uns verriet, dass er unser Sohn ist.
Unser kleiner Thorin Jarl Stolze,wurde am 08.06.18 um 1:03Uhr in der 17. Schwangerschaftswoche still geboren!
Als die Plazenta sich nach 30 Minuten immer noch nicht lösen wollte, wurde ich in den OP zur Ausschabung gebracht. In dieser Zeit kümmerten sich alle liebevoll um unseren kleinen Thorin.
Als ich aus dem OP wieder zurück in den Kreissaal kam, war der Fotograf von Dein-Sternenkind.eu bereits da. Die ganze Atmosphäre war unglaublich liebevoll. Trotz der Trauer um den Verlust, waren unsere Herzen erfüllt von Liebe und einem Glücksgefühl, welches wohl nur Sterneneltern zu erklären wissen. Wir machten viele wunderschönes Fotos von Thorin und uns. Wir nahmen in aller Ruhe Abschied. Die ganze Zeit, von der Bestätigung der Diagnose bis zur Entlassung am Nachmittag des selben Tages, fühlten wir uns in unserem Schmerz vom ganzen Team der Gyn, dem Kreissaal und den Ärzten geborgen und voller Sanftheit getragen. Ich hoffe, dass wir so etwa nie wieder erleben müssen. Wenn doch, dann mit diesen liebevollen Menschen im Marienhof, die uns dieses mal begleitet haben. Thorin Jarl Stolze wird in unserem Familiengrab in Geldern, in einer winzigen Urne, beigesetzt. Er wurde in unser Familienstammbuch eingetragen und hat damit nicht nur einen Platz in unseren Herzen, sondern für alle nachvollziehbar, auch in unserer Welt.